Arabisch für den medizinischen Bereich – ein interkultureller Dialogleitfaden (AmBiD)

AmBiD ist einerseits ein interaktiver, praxisnaher und sprechbasierter Sprachkurs für Medizinstudierende. Andererseits ist es eine Plattform zur Vernetzung von deutschsprachigen mit arabischsprachigen Medizinstudierenden, v.a. aus Syrien. Es vermittelt ihnen neben Arabisch- bzw. Deutschkenntnissen mit einem Fokus auf die medizinische Praxis auch interkulturelles und informelles Wissen, beispielsweise über strukturelle Gegebenheiten. So werden unter anderem Patientengespräche in Rollenspielen auf Arabisch übersetzt oder die dahinterstehenden kulturellen Praktiken und rechtlichen Gegebenheiten besprochen. In Tandems bearbeiten jeweils ein:e deutschsprachige:r Teilnehmer:in und eine:r Teilnehmer:in aus Syrien Inhalte aus dem Kurs und aus ihrer medizinischen Praxis, die dann auch im nächsten Sprachkurs besprochen werden. Die meisten der syrischen Teilnehmenden bereiten sich auf eine Migration nach Deutschland vor, wobei ihnen AmBiD nicht nur sprachlich eine Hilfe ist. Auch durch das bereits geknüpfte Netzwerk zu Kommiliton:innen und die Vermittlung von Wissen über strukturelle Unterschiede leistet AmBiD Unterstützung.

Auf der Website der Orient- und Islamwissenschaft, Universität Tübingen, auf Instagram: AMBID_15 und via Mail an: ambid@sgkno.uni-tuebingen.de, oder an: nora.ateia@uni-tuebingen.de  

Im Kontext von Flucht (Arbeits-)Migration und Fachkraftmangel bedarf es auch im medizinischen Bereich einer Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse sowie eines geschärften interkulturellen Verständnisses und Wissens um strukturelle Unterschiede. Eine dahingehende Ausbildung und Sensibilisierung ist nicht nur für eine adäquate Versorgung von Patient:innen im Falle von Sprachbarrieren und strukturellen Hürden essenziell, sondern auch für migrierendes medizinisches Fachpersonal. Das Projekt AmBiD bietet eine (digitale) Plattform zum sprachlichen (Arabisch-Deutsch), interkulturellen und fachlichen Austausch zwischen deutschen Medizinstudierenden, solchen mit Migrations- und Fluchtgeschichte (v.a. aus der MENA-Region) und jenen, die sich auf eine Migration nach Deutschland vorbereiten. Die Arbeit erfolgt in Kooperation mit je einer Universitätsklinik in Syrien und dem Irak.

Sprachkurs „Medizinarabisch“ und „Medizindeutsch“

In einem Sprachkurs „Medizinarabisch“ und „Medizindeutsch“ wird gesprochenes, angewandtes Arabisch/Deutsch mit Medizinfokus interaktiv vermittelt. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Wissen über strukturelle und kulturelle Rahmenbedingungen des Medizinstudiums und des Gesundheitssystems in Deutschland. In Tandems arbeiten die Teilnehmenden aus Deutschland und aus Syrien/Irak die sprachlichen und medizinischen Lerninhalte nach, erarbeiten neue Themen aus ihrer medizinischen Praxis und bringen diese in den Sprachkurs ein. So leistet das Projekt einen Beitrag zur (Vor-)Integration der Studierenden aus der MENA-Region und vermittelt den deutschsprachigen Studierenden neben der Sprache auch Inhalte einer bedarfsorientierten und rassismussensiblen Gesundheitsversorgung.

AmBiD wurde 2015 im Kontext des syrischen Bürgerkriegs und der damit verbundenen Fluchtsituation gegründet. Zunächst lag der Fokus auf der Sprachvermittlung und Vernetzung. Medizinstudierenden der Universität Tübingen wurden kostenlose Sprachkurse „Medizinarabisch“ mit einem starken Fokus auf deren Praxis und auf das Sprechen geboten, während geflüchteten Medizinstudierenden aus Syrien eine Plattform geboten wurde, ihr Deutsch mit Medizinfokus praxisnah zu verbessern und sich mit in Deutschland sozialisierten Teilnehmenden zu vernetzen. Diese Vernetzung, u.a. in Tandems, war auch der Integration in die Hochschule, das Studium und den Klinikalltag zuträglich. Seit 2016 wird AmBiD durch DAAD-Welcome gefördert. Mit wachsender sprachlicher Sicherheit der geflüchteten Medizinstudierenden und im Kontext der Coronapandemie hat AmBiD seine Ausrichtung den neuen Bedarfen angepasst. AmBiD ist seither fast ausschließlich digital. Durch eine Kooperation mit der Medizinische Fakultät der Tishreen-Universität Latakia (Syrien) sind nahezu alle arabischsprachigen Teilnehmenden Medizinstudierenden nun aus der MENA-Region. Die Teilnehmenden erhalten ein Zertifikat und der Kurs ist in Tübingen als Wahlfach in der Vorklinik anrechenbar.

Projektgründerin Nora Ateia

Das Projekt hat Nora Ateia, Mitglied im Arbeitskreis Medizinethik und Islam, initiiert.

Nora Ateia, M.A. hat Islamwissenschaft und Soziologie in Tübingen studiert.
Sie arbeitete dort von 2015 bis 2019 als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit einem Fokus auf islamwissenschaftlich-soziologische Themen der Gegenwart. Sie forschte und unterrichtete u.a. zu den Revolutionen in Ägypten und Syrien 2011, zur Frauenbewegung in Nordafrika und dem Nahen Osten (MENA-Region) und zu Medizin, Migration und psychischer Versorgung von muslimischen Geflüchteten. 2015 gründetet sie das Projekt Arabisch für den medizinischen Bereich – ein interkultureller Dialogleitfaden (AmBiD) und ist seither dort wissenschaftliche Projektleitung. 2017 bis 2019 war sie zusätzlich wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Medizinischen Fakultät in einem Projekt mit jesidischen Kindern aus dem Nordirak. Seit 2021 engagiert sie sich in einer Arbeitsgruppe zu rassismussensibler und bedarfsorientierter Gesundheitsversorgung im Rahmen des Projekts Muslimisch gelesene Vielfalt der Türkischen Gemeinde Deutschlands und im Bereich Schwangerenversorgung von Frauen mit arabischer Migrationsgeschichte. Seit 2022 ist sie Koordinatorin des SAGE-Centres (DAAD, UT).

Weiterbildungskonzept für die Qualifizierung von Multiplikator/innen im Bereich der kultur- und religionssensiblen Pflege

Dr. Ali Özgür Özdil entwickelte an der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft ein Weiterbildungskonzept für die Qualifizierung von Multiplikator/innen im Bereich der kultur- und religionssensiblen Pflege. Die Absolvent/innen des Weiterbildungskurses, der für 2024 geplant ist, sollen in der Lage sein, das Gesundheitspersonal in Krankenhäusern, Hospizen und Pflegeeinrichtungen für die religiösen und kulturellen Bedürfnissen muslimischer Patient/innen fortzubilden.

Dr. Ali Özgür Özdil (Jg. 1969) ist promovierter Islamwissenschaftler, der von 2002-2022 das Islamische Wissenschafts- und Bildungsinstitut e.V. geleitet hat und in der Beratung und Fortbildung verschiedener Berufsgruppen mit Kontakt zu Muslim/innen tätig war. Er hatte Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen (Hamburg, Osnabrück, Münster, Istanbul und Konya) in den Fachbereichen Islamwissenschaft, Erziehungswissenschaft, Islamische Religionspädagogik und Islamische Theologie. Derzeit hat er Lehraufträge an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Hamburg und ist als Dozent am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Bereich „Religions- und kultursensible Pflege muslimischer Patient/innen“ tätig.

Dr. Ali Özgür Özdil ist Mitwirkender am Arbeitskreis „Medizinethik und Islam“

Mehr Informationen zu seinem Beratungs- und Fortbildungsangebot hier.

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